Burgruine Kauernik

Verfasst von: Oktavian Narcyz MsD Bartoszewski
Burgruine Kauernik
Burgruine Kauernik  Bild: Oktavian Bartoszewski
Kauernik (Kurzętnik) ist heute eine kleine, unscheinbare Ortschaft in der Woiwodschaft Ermland-Masuren. Wenn überhaupt, kennt man den Ortsnamen nur von der Durchfahrt auf der Staatsstraße 15 in Richtung Ostpreußen. Vielleicht ändert sich das jedoch in naher Zukunft, entstehen doch auf dem nahen Kurzberg (Kurza Góra) gerade eine der größten Skihallen Europas, ein gigantischer Skywalk-Aussichtsturm und ein Bike-Park. Doch im Mittelalter war Kauernik wesentlich bedeutender als in den letzten Jahrhunderten.

Schon im Jahre 1330 wurde der Ort als Stadt erwähnt, tragischerweise allerdings anlässlich seiner Zerstörung durch den litauischen Großfürsten Gediminas. Einzige Überbleibsel des alten Kauernik aus jener Zeit sind die Maria Magdalena-Kirche und die Ruine der alten Burg Kauernik. Im Jahr 1291 verlieh der Kulmer Bischof Werner seinem Domkapitel für die dem Bischof von Plock in der Löbau abgetretenen Ländereien 300 Hufen, zusammen mit dem Berg „Cornichium“, auf dem um 1300 eine Burg errichtet wurde . In der Folgezeit gingen die Burg wie auch die gesamte Ortschaft (noch ohne Stadtrecht) in den Besitz des Deutschordensstaats über, 1361 wird der Hauskomtur Heinrich von Thymaw erwähnt.

Blick auf die Ruine (Bild: Oktavian Bartoszewski)

Nach der Übernahme dieser Gebiete durch den Deutschritterorden wird 1392 die Stadt nach deutschen Maßgaben neu gegründet. Durch ihre strategisch wichtige Lage an bedeutenden Handels- und Heereswegen nach Osten gewinnt die Stadt rasch an Einfluss und Bedeutung, vor allem im Jahr 1410, am Vorabend der Schlacht bei Tannenberg, in der die polnisch-litauische Armee die Armee des Deutschritterordens besiegt. Die Schlacht am 15 Juli 1410 bei Tannenberg zählt zu den größten Schlachten des ausgehenden Mittelalters und beendete die Expansion und Vorherrschaft des Deutschordensstaates im Osten. Die kleine Stadt Kauernik spielte besonders in den letzten Tagen und Wochen vor der Schlacht bei Tannenberg eine wichtige Rolle, hier wurde ein Großteil des für die Schlacht notwendigen Nachschubes an Waffen, Munition und Lebensmitteln von der Marienburg herangeschafft und eingelagert.

Burgruine (Bild: Oktavian Bartoszewski)

Schon diese Tatsache lässt erkennen, dass der Ort der Schlacht bei Grunwald kein zufälliger Punkt des Aufeinandertreffens der feindlichen Armeen war, sondern von langer Hand ausgesucht und vorbereitet wurde. Im Zuge von Vergeltungsmaßnahmen der Sieger wurden Stadt und Burg in den darauffolgenden Jahren, insbesondere 1414 und 1454, durch mehrere Strafexpeditionen immer weiter zerstört. Kauernik fiel der bis heute andauernden fBedeutungslosigkeit anheim. Als ich diese Geschichte erfahren hatte, wollte ich unbedingt mehr über den Ort Kauernik und die Burgruine der Ordensburg erfahren und nach Spuren der einstigen Größe und Bedeutung suchen. Also machte ich mich auf den Weg von Hannover nach Ermland-Masuren. Um die Geschichte der Schlacht von Tannenberg und ihre Konsequenzen für das Deutschrittertum im Osten richtig einschätzen zu können, ist es unerlässlich, sich etwas mit der Vorgeschichte zu befassen.

Der Anlass des Konflikts waren nicht nur die zwischen dem Deutschen Orden und Polen umstrittene Region Pommerellen, sondern auch die seit 1303 geführten Feldzüge nach Schamaiten im westlichen Litauen, welches die Landverbindung zwischen Livland und dem preußischen Kernland bildete. Infolge der 1402 erfolgten Verpfändung der östlich der Oder gelegenen kurfürstlich brandenburgischen Neumark an den Deutschen Orden, an deren Erwerb auch Polen großes Interesse bekundet hatte, verschlechterte sich das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und dem Königreich Polen. Im 1409 kam es in Schamaiten zum offenen Aufstand gegen die Herrschaft des Deutschenritterordens. Sowohl der litauische Großfürst Vytautas als auch dem polnischen König Władysław II. Jagiełło, unterstützten die Aufständischen.

Freilichtbühne mit Kreuz zum Andenken an die Schlacht von 1410 (Bild: Oktavian Bartoszewski)

. Diese offene Unterstützung der polnischen Krone für die Aufständischen Schamaiten führte zur Erklärung der Fehde dem Königreich Polen und dem verbündeten Litauen. Diese Fehde erklärte der Hochmeister des Ordens am 6. August 1409. Am 8. Oktober wurde ein bis zu Sankt Johanni, also ein bis zum 24. Juni des folgenden Jahres, befristeter Waffenstillstand geschlossen. Im Januar 1410 wurde vom König erreichen Böhmens Wenzel IV. eine Schlichtung des schwelenden Konfliktes versucht.. Er sprach am 15. Februar 1410 dem Orden das Verfügungsrecht auf Schamaiten zu. Dieses wurde jedoch sowohl vom polnischen Adel als auch vom litauischen Großfürsten Vytautas nicht akzeptiert. So bereiteten sich beiden Parteien auf eine militärische Entscheidung des Streitswährend des Sommers 1410 vor. Dieser „grosse streyth“ gipfelte in der Schlacht beim Tannenberg.

Eingang zur Ruine (Bild: Oktavian Bartoszewski)

Bereits im Frühjahr 1410 begannen die Kriegsgegner, ihre jeweiligen Aufgebote zu sammeln. Der Deutsche Orden mobilisierte die verfügbaren Streitkräfte sämtlicher Komtureien und befahl zeitgleich das Aufgebot der Städte sowie des ansässigen Landadels. Der livländische Landmeister Conrad von Vytinghove erteilte dem Hochmeister jedoch eine Absage und berief sich seinerseits auf ein Waffenstillstandsabkommen mit dem Großfürsten Vytautas. So erklärt sich die Abwesenheit des gesamten livländischen Ordenszweiges, was nachhaltige Folgen für das Kräfteverhältnis haben sollte. Aus Unkenntnis über die Absichten seiner Gegner vermutete Ulrich von Jungingen einen Angriff aus der Gegend von Bromberg oder aus Litauen, und wartete ab, bis der Gegner aktiv wurde. Der König von Polen hielt sich im späten Frühjahr im Feldlager bei Wolbórz, südöstlich von Łódź, auf, wohin er die Masse seiner zuziehenden Banner aus ganz Polen beordert hatte.

Grundriss der Burg (Bild: Oktavian Bartoszewski)

Durch Gewährsleute im Ordensland war der König über die Handlungen seines Kontrahenten stets gut informiert. Am 26. Juni brach das polnische Hauptheer nach Norden auf. Ende Juni erschien Großfürst Vytautas vereinbarungsgemäß mit den litauischen Aufgeboten nebst verschiedenen tatarischen Truppenteilen sowie den belarussischen Kontingenten. Gleichzeitig sammelte sich eine polnische Streitmacht unweit Brombergs unter dem Befehl des dortigen Starosten. Diese Abteilungen sollten in der Neumark offensiv werden. Der Feldzug begann am 30. Juni mit der Überquerung der Weichsel bei Czerwińsk nad Wisłą durch das polnische Heer über eine für die damalige Zeit neuartige Pontonbrücke. Dort traf das Heer mit den nördlich des Flusses heranziehenden Litauern und ihren Hilfstruppen zusammen. Das vereinigte Heer bezog unweit Bieżuńs ein befestigtes Lager und befand sich nun unmittelbar an der Grenze des Deutschordensstaates.

Aus von dort abgesandten so genannten Entsagungsbriefen der Herzöge Semovit und Janusz von Masowien sowie weiterer Edelleute konnten der Hochmeister und seine Berater erstmals zweifelsfrei den Standort der polnisch-litauischen Hauptstreitmacht erkennen. Zudem kam es Ende Juni zu ersten Scharmützeln in der Neumark, was Ulrich von Jungingen veranlasste, einen Teil seines Heeres unter dem bewährten Komtur Heinrich von Plauen bei Schwetz zu belassen. Das Heer des Ordens zog am 2. Juli auf Soldau, in dessen Nähe sich bereits eine vorgeschobene Abteilung unter dem Ordensmarschall Friedrich von Wallenrode befand. Dort verschanzte sie sich bei Kauernick an den Ufern des Flusses Drewenz.

Blick in die Ruine (Bild: Oktavian Bartoszewski)

Das daraufhin konzentriert ins Ordensland vorrückende Heer des polnischen Königs sowie die Streitmacht des Großfürsten Vytautas wichen einer für sie taktisch nachteiligen Konfrontation vor den befestigten Schanzen des Ordensheeres aus. Die Verbündeten versuchten ihrerseits, das Ordensheer östlich zu umgehen, und stürmten am 8. Juli die befestigten Siedlungen Soldau und Neidenburg. Das Hauptheer des Ordens stand nur einige Kilometer westlich des Geschehens, als es am 13. Juli zur Erstürmung von Gilgenburg durch Litauer und Tataren kam. Vermutlich aufgrund der dortigen Geschehnisse und der Verwüstung Gilgenburgs befahl Ulrich von Jungingen den sofortigen Aufbruch des Heeres mit dem Ziel, den Gegner unverzüglich zu stellen. In der darauffolgenden Nacht über dem Lager des Ordensheeres unweit von Frögenau und der gesamten Tannenberger Heidelandschaft ein schweres Gewitter niederging, standen sich die Heere seit dem Vormittag des 15. Juli 1410 gegenüber.

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Artikelsignatur: Oktavian Bartoszewski | Autoren-Ressort: relikte.reporters.de
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