Die Sopranistin der Diafonie

Verfasst von: Dipl. Päd. u. Theaterpädagogin Selena Plaßmann
Engel der Inspiration (Bild: Selena Plaßmann)
Die Performance-Künstlerin Florence Foster Jenkins ging als Koloratursopranistin „der schiefen Töne“ in die Geschichte ein. Der renommierte Konzertsaal Carnegie Hall war 1944 ausverkauft, um die Seniorin in ihrem Element zu erleben. Veröffentlichte Tonaufnahmen wie Mozarts „Königin der Nacht“ und Delibes' „Glöckchen-Arie“ waren für diesen Andrang mit verantwortlich. Im Schlosspark Theater bringt „ Knapp daneben ist auch vorbei“ diese schillernde Persönlichkeit, deren Lebenstraum über die Widrigkeiten des Schicksals triumphierte, wieder in Erinnerung.

Als Tochter einer wohlhabenden Familie erhielt Florence Klavierunterricht. Ihren Wunsch, darauf aufbauend eine Gesangskarriere einzuschlagen, verwehrte ihr der Vater unter der Androhung, sie zu enterben. Erst nach Beendigung einer komplizierten Ehe nahm sie Gesangstunden und befasste sich mit der Ausbildung zur Sopranistin. Sie zieht in die Kulturmetropole New York, „die Wiege der Moderne.“ Dort präsentierte sie ihre Vorstellungen von Gesangskunst und förderte als Künstleragentin Talente. Um der Verehrung für den italienischen Opernkomponisten Guiseppe Verdi, der die Opernkunst des 19 Jahrhunderts auf einen Höhepunkt führte, Ausdruck zu verleihen, gründet sie den Verdi-Club. Ihre alljährlichen Liederabende im Ballsaal des Ritz Carlton in selbstentworfenen Kostümen heroischer Frauengestalten erlangten Kultstatus.

Klavierbegleiter (Bild: Selena Plaßmann)

Die erste Theaterinszenierung über Madame Florence - der viele weitere folgten, - wurde 1994 in Little Rock, Arkansas, uraufgeführt. In diesem Jahr öffnete sich der Vorhang im Berliner Schlosspark Theater für „Glorious,“ die grandiose Komödie über die „Königin der Dissonanzen“ von Peter Quilter. Antje Rietz verkörpert mit Charme und Esprit Lady Florence. Brillant präsentiert sie die Töne, welche die stimmigen Noten der Arien verfehlten. Sie enthüllt gleichermaßen ein breites Spektrum wahrer Gesangskunst. Ihr professioneller Klavierbegleiter Cosmè Mc Moon (Christian Miebach) setzt seine eigene Karriere aufs Spiel, indem er mit ihr die berühmten Tonbandaufzeichnungen aufnimmt und riskiert, mit einer Amateur-Sängerin in der New Yorker Carnegie Hall aufzutreten. „ Die Leute mögen ja sagen, ich kann nicht singen, aber niemand kann behaupten, dass ich es nicht tue.“ (Florence Foster Jenkins)

True Love (Bild: Selena Plaßmann)

Kritiker versuchten Lady Florence´ kapriziöse Auftritte zu verbieten und ihre Karriere zu ruinieren. So fordert sie Mrs.Verindah-Gedge (Nathalie Hallervorden) während eines Konzerts auf, „ ihren Dilettantismus nicht weiterhin der etablierten Gesellschaft zu zumuten.“ Ihr Geliebter St. Clair Bayfield (Max Gertsch) interveniert und sucht künftig zu verhindern, dass kritischen Zuschauer und eine unliebsame Presse ihre Konzerte besuchen. Die Zärtlichkeit, mit der er sie behandelt, und sein Verständnis für ihren Lebenstraum sind eine Quelle der Energie für ihre Passion. In ihrer Freundin Dorothy (Anettte Daugardt) hat sie eine Gefährtin. die sie originell und pragmatisch unterstützt und bei den gemeinsamen Teestunden humorvoll rezensiert. Ihre Verbindung mit dem englischen Wanderdarsteller St. Clair Bayfield, mit dem sie sich in einer jahrzehntelangen Ehe ohne Trauschein über fünfhundert Briefe schreibt, öffnet Türen für Spekulationen.

Freundinnen
Kostümprobe
Tonaufzeichnungen
Spanisches Hausmädchen (Bild: Selena Plaßmann)

Die Freiheit der Gattung Komödie, deren Kennzeichen Spielfreude und Lachen sind, findet durch das spanische Hausmädchen Maria (Sophia Göbel) eine Krönung. Ihr Temperament verwandelt das bürgerliche Ambiente in „La dolce vita.“ Mit Vorliebe ignoriert sie Anweisungen und kredenzt individuell zubereitete Gaumenfreuden in den unpassendsten Augenblicken. Das bringt selbst Pressefotograf*innen zum Lachen, so dass sie manchmal verpassen, ein Foto im wesentlichen Augenblick zu schießen; „ Knapp daneben ist auch vorbei.“ In der britisch-französischen Filmbiographie des Kult-Regisseurs Stephen Frears („Gefährliche Liebschaften“) werden wesentliche Lebensstationen ihrer außergewöhnlichen Karriere aufgezeigt. Das Drehbuch von Nicholas Martin konzentriert sich „auf die krönenden letzten Jahre ihrer musikalischen Odysse“ und inspiriert einige der größten Stars der Filmwelt. Es war ein gesellschaftliches Ereignis, die „Königin der Dissonanzen“ zu erleben. Ihre aufgezeichneten Schallplatten sind noch immer das meist aufgerufene Programm der Carnegie Hall.