Angst – ein Phänomen unserer Zeit?

Verfasst von: Peter Michael Neuen
Was ist eigentlich „Angst“, dieses Gefühl, das jeder von uns tagtäglich verspürt? Gemäß den einschlägigen Oneline-Lexika ist „Angst ein Grundgefühl, das sich in bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und negative Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen sein“. Diese Erklärung ist recht allgemein gehalten und bringt mich nicht wirklich weiter. Nachdem ich weitere Lexika und Onlinequellen gewälzt habe, fand ich schließlich im „Lexikon der Neurowissenschaften“ eine nachvollziehbare Erklärung ohne „wissenschaftliches Schnickschnack“, die ich hier in sehr gekürzter Form wiedergebe:

„Angst und Furcht sind Emotionen, die bei einer Bedrohung auftreten. Als grundlegende herausgebildete Warn- und Schutzfunktion treiben Angst und Furcht zur Flucht und aktiven oder passiven Vermeidung von Situationen an, die Schmerz, Verletzung und Tod zur Folge haben können Allgemein formuliert ist Angst ein unangenehmer, unlustbetonter emotionaler Zustand, der sich auf verschiedenen Beschreibungsebenen charakterisieren und untersuchen lässt". Nun haben wir ein klareres Bild, was „Angst“ eigentlich ist. Aber was sind die eigentlichen Ursachen von Angst? Nachdem ich einige psychologische Fachartikel und Berichte gelesen habe, kam ich zu dem Schluss, dass jeder von uns im Laufe seines Lebens in Situationen oder Konflikte kommt, die uns fast innerlich zerbrechen können.

Man wägt das „Pro“ und das „Contra“ ab, kommt zu eigentlich keinem richtigen Entschluss und versucht einen Kompromiss zu schließen, der augenscheinlich das kleinere Übel bedeutet. Stellt sich dann heraus, dass es die falsche Wahl war, verursacht dies Ängste, besonders dann, wenn man nicht gelernt hat, mit Ängsten umzugehen. Man fühlt sich einfach überfordert und in so einer Situation treten dann die als Kind erworbenen Ängste auf, hier denke ich nur an die beispielhafte Drohung der Eltern: „Wenn Du Deinen Teller nicht leer isst, holt Dich der böse Mann!“ Oder man wird als Kind von einer Katze gekratzt oder gebissen und meidet zumeist diese Tierart für den Rest seines Lebens.

Jeder von uns war schon mal in der Situation, dass etwas geschah, was uns Angst einflößte. Man kommt nachts von der Straßenbahnhaltestelle nach Hause und fühlt sich verfolgt oder die Angst kurz vor einer Prüfung. Dies sind einige der Urängste, die in jedem von uns stecken. Sehr interessant ist, dass sich die Angst auf drei Ebenen zeigt: (1.) Als körperliche Reaktion erfolgt Herzrasen, der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich und der Atem wird beschleunigt. (2.) Emotional fühlt man sich hilf- und schutzlos und erwartet das Schlimmste. Man fühlt sich unrettbar verloren. (3.) Der Körper beginnt zu zittern, unbewusst sucht man nach einer Fluchtmöglichkeit oder man wird starr vor Schreck.

Hieraus leite ich ab, dass ein Mensch Angst bekommt, wenn er in eine gefährliche und für ihn nicht überschaubare Situation gerät. Dies führt dann dazu, dass die oben aufgeführten Symptome eintreten und die Warn- und Schutzfunktionen, also unsere Urinstinkte, die Herrschaft über unseren Verstand übernehmen. Dieser Zustand hält so lange an, bis man der Gefahr entkommen ist und die Angst dadurch nachlässt. Diese Angst lässt nach, nachdem man der gefährlichen Situation entkommen ist. Die gefährliche Situation prägt sich allerdings tief ins Unterbewusstsein ein und man wird tunlichst vermeiden, dass man zukünftig in ähnliche Situationen gerät, was aber auch zu einer Isolation führen kann, die sich negativ auf das Selbstvertrauen auswirkt.

Natürlich hat Angst auch immer etwas mit der eigenen Existenz zu tun, so hat man Angst, etwas Wichtiges oder lieb Gewonnenes zu verlieren, wie den Partner, ein Familienmitglied, den Job oder sein Eigentum. Viele Menschen haben Angst vor dem Tod, weil sie nicht wissen, was danach kommt, oder sie haben Angst, dass sie die Liebe oder Zuneigung eines Menschen verlieren. In der heutigen Zeit kommt natürlich auch der Faktor Stress dazu, der eine völlig neue Art von Ängsten produziert: die Angst vor tiefgreifende Veränderungen im Leben durch die immer weiter um sich greifende Globalisierung, die Angst falsche Entscheidungen zu treffen, die Angst, im Beruf und in der Beziehung zu Versagen.

Ich würde sie eher als Ventil für derzeit ungelöste Probleme, also Stress, bezeichnen und weniger als Resultat einer unmittelbaren Angst. Negativ sind hierbei natürlich die gesundheitlichen Auswirkungen wie Migräne, Beschwerden mit dem Kreislauf oder Magen. Leider bleiben auch einige Menschen auf der Strecke, indem sie Alkohol als Problemlöser wählen und in eine perfekte Scheinwelt flüchten. Leider ist niemals im Leben alles perfekt und so kann man leicht in eine Angstspirale geraten, aus der man ohne Hilfe niemals wieder herauskommt. Ich könnte hier noch viele Beispiele aufführen, aber es dürfte klar sein, dass hinter jeder Angst menschliche Probleme stecken, die jeder von uns in seinem Leben mehr oder weniger täglich durchläuft.

Zusammenfassend komme ich zum Ergebnis, dass Angst kein Phänomen der heutigen Zeit ist. Wie bereits dargestellt, sind die Ängste tief in der menschlichen Natur verwurzelt. Sie stammt noch aus der Zeit, als der Mensch als Jäger unterwegs war und ist quasi ein Urinstinkt. Angst hat es somit zu allen Zeiten gegeben, es haben sich lediglich die Prämissen verändert. Vor Jahrtausenden waren es die Angst ums nackte Überleben, um genügend Nahrung für den Klan zu beschaffen, dass das Feuer in der Gemeinschaftshöhle nicht erlöscht und um bei der Jagd nicht selbst zum Gejagten zu werden. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Auslöser der Angst natürlich verändert.

Denken wir hier nur an die Zeiten der Christenverfolgung im „alten Rom“, über die Hexenverfolgungen, die Glaubenskriege, die Pestepidemien, die Französische Revolution mit ihren Auswirkungen in ganz Europa, die Weltkriege, Wirtschaftskrisen und diktatorischen Terrorherrschaften bis hin zu den für uns alle spürbaren Auswirkungen der Globalisierung und der Corona-Krise, die unser Leben ziemlich eingeschränkt, ja beschnitten hat. Waren es früher die Angst um Leib, Leben, Gesundheit und ausreichende Nahrung, also die Befriedigung der Grundbedürfnisse, geht es in unserem Zeitalter um ganz andere Dinge. Ich will damit nicht sagen, dass die Angst bezüglich der Grundbedürfnisse nicht mehr vorhanden ist, sie ist aber in unseren Breiten immer weiter in den Hintergrund geraten.

So ist es heute mehr die Angst, im Beruf oder in der Beziehung zu versagen, irgendwelche Statussymbole nicht zu haben, dass der Bauch nicht größer wird, dass weniger Geld für die Fernreisen in der Kasse ist, der PKW nicht mehr der neueste ist, oder ganz banal, wie ich es in den vergangenen Tagen von einigen Jugendlichen vernommen habe, „nicht der Erste zu sein, der das brandneue Handy von Samsung bekommt“. Vielen Menschen macht auch die berüchtigte „Midlife Crisis“ zu schaffen, sie werden verschlossener, sondern sich ab und trauern der verlorenen Jungend hinterher. Man sieht, dass sich nicht nur die Zeiten ändern, sondern auch die Bedürfnisse und Ängste.

Ich habe gelernt, Ängste zu überwinden, indem ich mit der Familie, Freunden und Bekannten darüber spreche und mir ihre Erfahrungen oder Eindrücke bei der Lösung der Angst bzw. des Problems helfen, denn nur dadurch verlieren Ängste ihren Schrecken. Manchmal können auch Ängste nur durch Zuhören und Schweigen eines vertrauten Menschen genommen werden. Deshalb wünsche ich Ihnen, meinen lieben Lesern, dass Sie immer einen Menschen haben, mit denen sie über ihre Schwierigkeiten, Probleme und Ängste reden können und wenn Sie niemanden haben – die Telefon-Seelsorge ist immer für Sie da.

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Artikelsignatur: Peter Michael Neuen | Autoren-Ressort: economy.reporters.de
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